Der Junge mit dem Messer

In den Zeiten zunehmender schwerer Jugendgewalt suggeriert der Titel "Der Junge mit dem Messer" ein problematisches Thema. Das Gegenteil ist der Fall. Die Rede soll nicht von einem Jungen aus einem Milieu mit einem problematischen Gewalt- und Ehrverständnis sein. Es ist die Rede von einem Jungen aus der Mitte der Gesellschaft und seinen ersten Erfahrungen mit der Verantwortung für Mensch, Kreatur, Werkzeug und Waffe.
"To Ride, Shoot Straight and Speak the Truth - this was the ancient law of youth". Diese vom großen Jäger, Soldaten und US-Präsidenten Theodor Roosevelt zitierten Worte, die Jeff Cooper zum Titel eines seiner grundlegenden Bücher machte, haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Im Gegenteil.
      
Jagd und Natur            
Wie die meisten normalen Jungen, die im Umfeld der Jagd aufwachsen, ist es für den Jungen, über den wir sprechen, normal, sich in der Natur aufzuhalten und sich so darin zu bewegen, dass man sich ihr anpaßt und sie nicht schädigt oder stört.
Der Junge ist fünf Jahre alt und führt gleichaltrige oder ältere Kinder und auch Erwachsene mit schlafwandlerischen Sicherheit durchs Gehölz ohne sich zu verirren. Er kann so leise gehen und ist auch noch so leicht, dass er keinen Pirschweg benötigt, um morgens mitten im Mai einen Rehbock sehen zu können. Er sieht aber auch kleine Dinge, interessante Käfer, eine Blindschleiche oder gut getarnte Fuchslöcher an einem Abhang. Er weiß, was frische Erde oder Federn um die Löcher bedeuten und an welcher Stelle er besonders leicht Trittsiegel sehen kann. Der Junge hat mit seiner Schwester zusammen ein Kaninchen erpirscht. Er hat es nicht erlegt, natürlich nicht, er hat sich ihm so vorsichtig gegen den Wind und jede Deckung ausnutzend angenähert, dass er es hätte anfassen können. Es war eine Freude, ihnen zuzusehen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Junge später zur Jagd gehen und zwar nicht nur in Deutschland. Deshalb wird es auch möglicherweise viel früher als mit seinem 16. Lebensjahr statt finden, aber nur, wenn er selbst unbedingt möchte und wenn er dafür reif ist. Mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit wird der Junge niemals dulden, dass in seiner Gegenwart Tiere gequält werden und mit seiner Billigung werden Tiere nicht nicht artgerecht gehalten werden.
  
    

Hart beanspruchtes Werkzeug
      
Das Messer
Weil der Junge gerne im Wald ist und eine natürliche Freude an der Bewegung an frischer Luft hat und weil er verantwortungsbewußt ist, hat er vor kurzem sein erstes Messer bekommen: Ein Herbertz Kindermesser. Es ist mit zum Jagdausrüster gegangen, hat sich sorgfältig umgesehen und dann das immerhin rund 20 Euro teure, sehr scharfe Messer mit abgerundeter Spitze und in einer Lederscheide akzeptiert. Seitdem hat der Junge viel mit dem Messer geschnitzt. Er hat es benutzt, um im Wald an einem Unterschlupf zu bauen, um sich ein "Jagdgewehr" aus einem Ast zu schnitzen und allerhand andere geheime Ausrüstungsgegenstände, die er in der Garage lagert. Er hat auch mit dem Messer gehackt, so dass der Griff aus gepreßtem Leder mit Panzerband repariert werden mußte und er hat es schartig geschlagen, dass es geschliffen werden mußte. Bei all diesen Dingen hat der Junge gelernt, nämlich wie vorsichtig man das Messer einsetzt, wie man es reparieren und schärfen kann. Erst wurde das Messer außerhalb von Waldgängen noch "eingezogen", jetzt steht es immer zu seiner freien Verfügung, weil er sich als verantwortungsbewußt eriwsen hat. Er benutzt es aber nur zu dem beschriebenen Zweck. Er setzt es nicht im Streit mit seinen Geschwistern ein, stellt damit etwas an oder rennomiert damit vor anderen Kindern.
Er besitzt auch ein etwas schartiges Fahrtenmesser von seinem Vater, ein neues sehr scharfes und sehr spitzes Jagdmesser und ein wuchtiges militärisches Klappmesser mit Einsatzvergangenheit. Diese drei sind aber in einem Stahlschrank eingeschlossen, zu dem er keinen Zugang hat. Sie sind ihm geschenkt worden und er weiß, dass er sie irgendwann bekommen wird, wenn er älter ist. Es hat für ihn aber keine Eile damit.
Weil er sich für "Urmenschen" und Dinosaurierer interessiert, hat er die Entwicklung des Messers als Begleiter des Menschen kennengelernt. Er hat versucht, sich selbst Faustkeile und Steinklingen zu basteln und damit zu schneiden. Er weiß, welche Teile des Wildes wie mit einem Messer "bearbeitet" werden müssen und was Menschen daraus nützliches erstellen.
  


Wenn Sie ihn nicht sehen, sieht das Wild ihn auch nicht.
    
    
Waffe und Werkzeug
Der Junge weiß auch, was Waffen sind und wozu man sie benutzt. Er weiß, dass er sie nicht berühren darf, noch nicht einmal einen Jagdnicker - unabhängig davon, dass der Junge auch keine Waffen herumliegen sieht und sich ihm eingeprägt hat, dass sie verschlossen werden müssen. Er hat gelernt, welche Verantwortung darin liegt, Waffen zu besitzen.
Der Junge spielt gerne Cowboy oder Polizist und auch Ritter, Fallensteller oder Soldat und hat für einen Fünfjährigen ein erstaunliches und unbestechliches Verständnis von richtig und falsch und gut und böse. Obwohl er "Kämpfe" oder "Bärenjagd" spielt und vermutlich der einzige Junge in der Stadt ist, der weiß, was ein Back-up Schuß oder Problem Animal Control ist, lehnt er Gewalt strikt ab, ja ist erstaunt und schockiert, wenn er damit bei Gleichaltrigen auf dem Spielplatz konfrontiert wird. Er geht Gewalt aus dem Weg, wenn er kann. Allerdings weiß er auch, dass das nicht immer möglich ist. "Fifty years ago young people were made to understand - around the dinner table - that strife was part of life, and that they might well encounter it, and that it would then be their duty to face it without blinking" wie Jeff Cooper schreibt. Im Prinzip hat der Junge, von dem wir hier sprechen etwas ähnliches gelernt und wenn Sie in zehn Jahren in der U-Bahn sitzen und belästigt werden und sich nicht helfen können, wird er nicht dabei zusehen, wie Ihnen ein Leid geschieht.
        
Warum ist die kurze Geschichte des Jungen mit dem Messer veröffentlicht worden? Erstens zugegebenermaßen, um den Jungen selbst auszuzeichnen. Obwohl sein bevorzugter Platz die Natur ist und er noch nicht lesen kann, weiß er ganz gut, was das Internet ist. Zweitens geht es dem Verfasser darum, zu zeigen, wie das verantwortungsvolle Heranführen an Jagd und Gerät erfolgen und wie viel Freude es allen Beteiligten machen kann.
Und drittens kann es sein, dass Sie auch einen Jungen haben. Was immer er so den ganzen Tag lang tut und wie unähnlich er dem hier beschriebenen Beispiel auch sein mag - ganz tief in ihm drin ist auch so ein "Junge mit dem Messer". Sie müssen ihn nur "hinauslassen".
Und sagen Sie nicht, hier ginge es um die "Manifestation alter Rollenbilder" oder irgend etwas ähnliches. Der Junge und ich würden sie dafür auslachen. Und noch lauter würde seine Schwester lachen. Sie führt das gleiche Messer.
    
Verweis
- Kinder und Spielzeugwaffen. Erfahrungen einer Mutter